Li Shuang
Li Shuang
... kam 1957 in Peking zur Welt, Ihr Vater blieb nach seiner Ausbildung zum Bauingenier an der Tsinghua-Universität, um zu unterreichten. In der großen Säuberungskampagne von 1957 wurde er als "Rechtsabweichler" gebrandmarkt und musste fortan auf Baustellen arbeiten. Die Mutter wurde wurde aufgrund der Sanktionen gegen ihren Mann ins weit entfernte Changchun (Nordostchina) versetzt, die dreijährige Li Shuang kam in einen Kinderhort, erst 1961 war die Familie wieder in Peking vereint. 1966, zu Beginn der "Kulturrevolution", wurde der Vater in "Kritikversammlungen" öffentlich gedemütigt und geschlagen, die Wohnung wurde von Roten Garden verwüstet, Li Shuangs Eltern verloren ihren Arbeitsplatz, der Vater wurde schließlich an seiner Hochschule eingesperrt.
Mit vierzehn, an der Mittelschule, verkehrte Li Shuang mit Gruppen arbeitsloser Jugendlicher, die sich zu Nachbarschafts-Banden zusammengeschlossen hatten, mit neunzehn wurde sie in eine Volkskommune zur landwirtschaftlichen Arbeit geschickt. Im engen Kontakt mit der Natur begann sie zu malen, 1976 bewarb sie sich an der Pekinger Filmhochschule für eine Ausbildung als Bühnenbildnerin, fand eine Arbeit am Jugendkunst-Theater und konnte so nach Peking zurückkehren.
In der Wohnung des Schriftstellers Bei Dao lernte sie 1979 Huang Rui kennen, der gerade dabei war, die erste unabhängige Kunstausstellung zu organisieren. Im Atelier ihres damaligen Partners Yan Li zeigte sie auch ihre Bilder her, die auf große Zustimmung stießen. Li Shuang wurde schließlich zum einzigen weiblichen Mitglied der Künstlergruppe "Die Sterne". Am 27. September 1979 stellte die Gruppe am Außenzaun der Pekinger Kunstgalerie erstmals ihre Werke öffentlich aus. Die Freiluftausstellung wurde zwar nach wenigen Stunden untersagt, doch im November und dann im Augist 1980 folgten zwei offiziell genehmigte Ausstellungen an denen auch Li Shuang teilnahm.
1981 ging Li Shuang eine Beziehung mit dem französischen Sinologen und Diplomaten Emmanuel Bellefroid ein, zu einem Zeitpunkt, als es Chinesen noch nicht erlaubt war, ein Liebesverhältnis mit Ausländern zu haben. Während einer kurzen Reise nach Hongkong sollte Li in Bellefroids Diplomatenwohnung bleiben, doch als einmal kurz vor das Haustor ging, um ihre Schwester zu treffen, wurde sie von wartenden Polizisten festgenommen. Wegen "Hooliganismus" wurde sie - ohne Gerichtsverfahren - zu zwei Jahren "Umerziehung durch Arbeit" geschickt, Bellefroid musste China verlassen.
Viele internationale Medien berichteten damals über den "Fall Li Shuang", Bürgerrechtsgruppen in Frankreich demonstrierten vor der chinesischen Botschaft in Paris für ihre Freilassung. Doch erst als Staatschef François Mitterrand 1983 zu einem offiziellen Besuch nach Peking reiste, konnte er in einem Gespräch mit Deng Xiaopoing die Freilassung von Li Shuang erreichen, eine Woche, bevor ihre Zeit im Umerziehungslager ohnehin abgelaufen wäre.
Als Li Shuang am 26. November 1983 schließlich am Flughafen von Paris eintraf, warteten dort zahlreiche Unterstützer und Medienvertreter. 1984 heirateten Li Shuang und Emmanuel Bellefroid, in den Jahren darauf kamen bald zwei Söhne zur Welt. Li pflegte weiter ihre Kunst, zusammen mit ihrem Mann betrieb sie in Paris eine Kunstgalerie, sie wurde zu zahlreichen Ausstellungen eingeladen, zuletzt auch wieder in die Volksrepublik China, wo sie 2013 eine auch in chinesischen Medien vielbeachtete Autobiografie veröffentlichte. Die Ehe mit Bellefroid ging allerdings in die Brüche, heute lebt Li Shuang in der Nähe von Fontainbleau, südlich von Paris.
Interview mit Li Shuang (am 29. April 2014 in ihrem Haus in der Nähe von Fontainbleau, Frankreich)
Hier finden Sie den chinesischen Text des Interviews (Übersetzung folgt).