Ma Desheng

Ma Desheng (2014 in einem Bistrot nahe seinem Atelier in Paris)

Der Lyriker, Maler, Kalligraphie-, Holzdruck- und Aktionskünstler Ma Desheng kam 1952 in Peking zur Welt. Von Kindheit an war Ma aufgrund einer Polio-Erkrankung behindert, die Holzkrücken, mit denen er später in der Öffentlichkeit auftrat, wurden zu seinem persönlichen Markenzeichen. 1971 erhielt er eine Stelle als Planzeichner in einer staatlichen Maschinenfabrik. Doch sein Wunsch war Künstler zu werden, und so bewarb er sich 1977 in der gerade wiedereröffneten Pekinger Kunstakademie um einen Studienplatz. Die Antwort war negativ. Ein Grund für die Absage war auch seine Behinderung, wer körperlich eingeschränkt war, wurde damals in China noch grundsätzlich von einem Hochschulstudium ausgeschlossen.

Ma Desheng machte Holzdrucke, besuchte Kunstseminare in einem Arbeiter-Kulturzentrum in Peking. Dort lernte er 1978 den gleichfalls autodidaktischen Maler Huang Rui kennen, der in der gerade in Gründung begriffenen unabhängigen Literaturzeitschrift "Heute" (Jintian) für Layout und Illustrationen zuständig war. Ma wurde in die Redaktion aufgenommen, und er steuerte für die ersten Nummern Holzschnitte bei (die damals einzeln in jedes Exemplar eingeklebt wurden!) und schrieb auch Gedichte für die Zeitschrift.

Ma Desheng wurde auch Gründungsmitglied der Künstlervereinigung "Die Sterne", nahm an den Ausstellungen teil und auch an der Demonstration für politische und künstlerische Freiheiten am 1. Oktober 1979, bei der er auch eine Rede hielt, und mit seinen Holzkrücken in der ersten Reihe mitmarschierte.

1982 begann Ma auch mit großformatigen Tuschemalereien, doch 1983 wurde er im Zuge der Kampagne "gegen geistige Verschmutzung" (die auch westliche Einflüsse auf die Kunst attackierte) persönlich kritisiert. Ma Desheng sah danach keine Zukunft mehr in China und stelle einen Ausreiseantrag. Doch erst 1985 bekam er einen Reisepass und ging zunächst in die Schweiz, ein Jahr später nach Paris. Vor allem seine Tuschemalereien wurden bald in zahlreichen Ländern Europas und Nordamerikas, aber auch in Hongkong und Taiwan, ausgestellt.

Doch 1992 musste er eine tragische Zäsur in seinem Leben und künstlerischen Schaffen erleben. Bei einem Autounfall in den Vereinigten Staaten kam seine aus Deutschland stammende Lebensgefährtin Barbara Holstein (eine Neurologin, die er bei einer Veranstaltung mit Wei Jingsheng kennengelernt hatte) ums Leben, er selbst erlitt eine Querschnittlähmung. Er konnte Arme und Beine nicht mehr bewegen, verbrachte zwei Jahre in Spitälern. Nur langsam schaffte er es mit vielen Spezialtherapien, die Beweglichkeit der Arme und einiger Finger teilweise wiederherzustellen, um zumindest einen dicken Pinsel halten und führen zu können und - eingeschränkt - wieder künstlerisch tätig zu sein.

Inzwischen ist Ma Desheng wieder mehrmals in der Woche in seinem Pariser Atelier, er malt vom Rollstuhl aus, ist aber auf tägliche Betreuung durch Pflegekräfte und Ärzte angewiesen. Ma verfasst weiterhin Lyrik und trägt sie bei regelmäßigen Lesungen mit seiner mächtigen Stimme vor.

Interview mit Ma Desheng (am 24. April 2014 in seinem Atelier in Paris)

Hier finden Sie den chinesischen Text des Interviews (Übersetzung folgt).