Die Aufarbeitung des "Pekinger Frühlings" in- und außerhalb China: Medienberichte und akademische Analyse

Während der Zeit, als die chinesische Demokratiebewegung des "Pekinger Frühlings" tatsächlich ablief (also zwischen Okt./Nov. 1979 und der Niederschlagung im April 1981), widmeten internationale Medien den Ereignissen sehr große Aufmerksamkeit. Zum einen war China für westliche Ausländer (Journalisten, Diplomaten, Studenten etc.) viel zugänglicher geworden. Viele ausländische Medien stationierten damals zum ersten Mal eigene Korrespondenten in Peking. Gleichzeitig hatten viele Chinesen die Angst vor Kontakten und offenen Gesprächen mit Ausländern ein wenig abgelegt.

Spätestens im Verlauf des Jahres 1978 (Deng Xiaopings Rückkehr in die offizielle Politik fand im Juli 1977 statt) war auch klar geworden, dass sich China nach dem Ende der Ära Maos politisch und wirtschaftlich viel nachhaltiger verändern könnte als zunächst angenommen. Es war eine Zeit für neue Denkweisen und Utopien, auch wenn zunächst höchst unklar blieb, wohin die Reise letztlich gehen würde.

"Westliche" Medien betrachteten China damals vor allem unter drei Aspekten: Erstens war nach dem Ende der Isolation während der "Kulturrevolution" klar, dass dies auch das Verhältnis zwischen den Großmächten verändern könnte, und das was in China geschah, auch für Menschen anderswo in der Welt bedeutsam wurde. Zweitens sah man die neue Bürgerbewegung in China gerne im Kontext der Dissidenten in den kommunistischen Ländern Osteuropas, als Widerstand  gegen des marxistisch-leninistischen Autoritarismus und als Interesse für westliche Ideen von Menschenrechten und Demokratie. Und drittens herrschte immer noch eine große Faszination für das menschenreichste Land der Erde und seine "geheimnisvollen" Wendungen und Windungen. So wie man sich ein paar Jahre zuvor von Maos "Kulturrevolution" beeindrucken ließ, war es nun eben die Abkehr von und die Abrechnung mit Mao, die das Interesse beflügelte und jedes Detail der chinesischen Demokratiebewegung interessant erscheinen ließ.

Ab 1979, in der Periode der Wandzeitungen und unabhängigen Zeitschriften (bzw. unmittelbar danach) erschienen im Ausland auch rasch mehrere Buchpublikationen (einschließlich einiger Bestseller), und es gab erste Versuche einer akademischen Bestandsaufnahme und Analyse durch bekannte Sinologen.

Im Verlauf der 1980er-Jahre - nach der Niederschlagung der Bewegung durch die KP-Führung und die Inhaftierung der wichtigsten Aktivisten - ging dieses Interesse allerdings zurück. Man widmete sich mehr der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas und den Veränderungen im chinesischen Alltag.

Erst mit der Tiananmen-Bewegung im Mai und Juni 1989 nahm die internationale Öffentlichkeit auch wieder stärker die politische Auseinandersetzungen in China wahr. Die blutige Niederschlagung am 4. Juni 1989 blieb dann lange im Mittelpunkt medialer und akademischer Betrachtungen, während man den "Pekinger Frühling" der späten 70er und frühen 80er Jahre weitgehend vergaß. 

Ab den späten 1990er-Jahren erschienen neuere chinawissenschaftliche Publikationen, die sich mit der Zeitgeschichte um das Ende der Mao-Ära auseinandersetzten, auch um den Wurzeln des Aufstiegs Chinas zu einer wirtschaftlich höchst erfolgreichen, aber autoritären neuen Weltmacht nachzugehen.

In China selbst haben die noch unter dem Einfluss leninistischer Prinzipien stehenden Medien ("Transmissionsriemen der Politik") den "Pekinger Frühling" weitgehend verschwiegen, mit Ausnahmen, z.B. einiger direkter Interventionen Deng Xiaopings, die Gegenstand einer medialen Erwähnung wurden. Nur "interne" Publikationen (für höhere Parteikader) berichteten zeitweise - soweit nachvollziehbar - etwas ausführlicher über die Demokratiedebatten.

Die Avantgardekunst-Bewegung und die Literaten des "Pekinger Frühlings" fanden auch in den 1980er-Jahren und später mediale Erwähnung, politische Ereignisse und Zeitumständen blieben aber strikt ausgeklammert (z.B. die Demonstration für Demokratie und künstlerische Freiheit zusammen mit politischen Aktivisten am 1. Oktober 1979 in Peking).

In weiterer Zukunft (ab 1989) wurden der "Pekinger Frühling" und seine Diskussionen über Bürgerrechte, das KP-Monopol und demokratische Kontrolle in China überhaupt zu Tabuthemen, an denen Medien, Buchpublikationen oder auch Schulunterricht und akademische Forschung nicht anstreifen durften.

Im damals noch von der konsequent anti-kommunistischen Taiwan wurde der "Pekinger Frühling" als politischer Aufstand gegen die chinesischen Machthaber analysiert. Geheimdienst und Forschungsinstitute, die sich mit den Entwicklungen auf dem Festland befassten, sammelten und publizierten eifrig Materialien zur Demokratiebewegung. Doch sehr bald war man in Taiwan stärker mit den eigenen politischen Veränderungen befasst, das Interesse an Festlandchina ging deutlich zurück (und damit auch das Fördergeld für einschlägige Forschung).

In der britischen Kronkolonie Hongkong erlaubte die Pressefreiheit die Publikation zahlreicher Augenzeugen-Berichte und Dokumente über die Demokratiebewegung, vor allem einige kleinere chinesischsprachige Magazine (oft von Flüchtlingen aus China betrieben) spielten dabei in den späten 70er und frühen 80er Jahren eine wichtige Rolle. In den 2000er-Jahren (als Hongkong nominell schon chinesisch war) waren es oft lokale Buchverlage, die Dokumente und Analysen von chinesischen Autoren publizierten, die ihre Darstellungen des "Pekinger Frühling" in der Volksrepublik selbst nicht veröffentlichen durften.

Für die ursprünglichen Akteure der Zeit 1978-81 gab es anfangs nur wenige Möglichkeiten, ihr Wissen und ihre Sicht der Ereignisse darzulegen. Die meisten waren im Gefängnis, andere - soweit sie in China geblieben waren - wagten kaum, offen über ihre persönlichen Empfindungen und Erfahrungen zu reden. Erst nach ihrer Freilassung, oder im Exil in den USA oder Europa, begannen sie in den 1990ern oder nach 2000 über ihre Erinnerungen zu sprechen. Und mit den kleinen Freiräumen, die sich im chinesischen Internet aufgetan hatten, begannen auch in China selbst - mit vielen Einschränkungen - einige inoffizielle Debatten und Darstellungen der Zeit des "Pekinger Frühling".