Internet

Der Aufstieg des Internet ab dem Ende der 1990er-Jahre hat auch die Kommunikationsmöglichkeiten für Akteure und Zeitzeugen des "Pekinger Frühling" und den Zugang zu Dokumenten, Erinnerungen und zeitgeschichtlichen Darstellungen dieser Periode wesentlich verändert. Und das Internet hat auch die nationalen Grenzen zwischen der vergleichsweise freien Medienlandschaft im "Westen" und den unter Zensur und Lenkung leidenden chinesischen Publikationen zumindest um einiges durchlässiger gemacht.

Das Internet hat es Akteuren und Zeitzeugen - ob in China oder im Exil - wesentlich leichter gemacht, ohne große Kosten und organisatorische Hindernisse ihre Sicht und persönliche Wahrnehmungen der damaliger Ereignisse zu publizieren und zu diskutieren, auch Fotos und Dokumente zu veröffentlichen. Und diese Möglichkeit wurde und wird in großem Maße genutzt, wodurch inzwischen ehemaligen Aktivisten, Akademikern oder anderweitig interessierten ungemein viel mehr Informationen zur Verfügung stehen als noch im auslaufenden vorigen Jahrhundert.

Zwischen der Situation in China selbst und Webseiten, die auf Servern in Europa, den USA oder in Hongkong beheimatet sind, bestehen allerdings doch einige Unterschiede. Außerhalb der Volksrepublik China gibt es eine Reihe von Webseiten und Webpublikationen, die sich speziell den chinesischen Demokratiebewegungen und der kritischen Auseinandersetzung mit den kommunistischen Machthabern, bzw. einer unabhängigen Berichterstattung über aktuelle und zeitgeschichtliche Entwicklungen in China widmen.

An erster Stelle steht dabei die Webausgabe (der zunächst gedruckt erschienenen) Exilzeitschrift "Beijing Spring" (北京之春), die in New York von in den USA lebenden Aktivisten im Exil hergestellt wird und sich um eine einigermaßen neutrale Position zwischen verschiedenen Fraktionen und Akteuren der Exilbewegung bemüht. Hier werden immer wieder Erinnerungen, Debatten und aktuelle Informationen (nicht nur zum ursprünglichen "Pekinger Frühling" von 1978-81, sondern auch zu späteren Bewegungen) veröffentlicht, und es wird auf andere Publikationen und Internetseiten zu den Themen aufmerksam gemacht. Die Webseite, die früher auch englischsprachige Berichte anbot, wird seit 2009 nur mehr auf Chinesisch betrieben.

Eine weitere in den USA beheimatete chinesischsprachige Webseite (auch mit einer - nicht ganz so umfangreichen - englischsprachigen Version) ist das Portal "Boxun News" (boxun.com), das Informationen zu politischen Entwicklungen in China veröffentlicht (insbesondere solche, die in offiziellen Medien ausgespart werden) und mehrere Dutzend Blogs zugänglich macht, darunter auch etliche von chinesischen Demokratie- und Menschenrechts-Aktivisten.

Die Webseite wird u.a. von der Europäischen Union unterstützt. In der Volksrepublik China ist der Zugang im Prinzip gesperrt, dennoch gelingt es vielen Interessierten, etwa mit Hilfe von VPN-Software, die Blockaden zu umgehen. 2014 haben die chinesischen Behörden allerdings einen Mann aus Peking verhaftet, der tausende Informationen an "Boxun News" geliefert haben soll. Ihm wurde vorgeworfen, "Falschinformationen" verbreitet und das Ansehen Chinas beschädigt zu haben. (The Wall Street Journal, 13.5.2014)

Andere Webseiten außerhalb Chinas berichten ebenfalls - wenn auch weniger umfassend und systematisch - über Fragen der Menschenrechte und Bürgerbewegungen in China. Besonders verbreitet unter Auslandschinesen ist auch die Webseite der Zeitung "Epoch Times", die ursprünglich von der in China verbotenen Falungong-Bewegung in den USA gegründet wurde. Es gibt zahlreiche Sprachversionen, neben Englisch auch Deutsch.

Auch die Seiten der großer internationaler Medien, die spezielle China-Informationen auf chinesisch verbreiten, bringen immer wieder kritische Beiträge zu chinesischer Zeitgeschichte und Erinnerungen ehemaliger Demokratie-Aktivisten. Dazu zählen BBC, die "Voice of America""Radio Free Asia"RFI ("Radio France International"), die "Deutsche Welle" oder auch die "New York Times". Die meisten dieser Seiten sind in China allerdings nur beschränkt oder mit spezieller VPN-Software (oder anderen Umgehungsmaßnahmen) zugänglich.

Die Situation in China selbst ist zumindest zwiespältig. Der Zugang zu den ausländischen Webseiten, die kritische zeitgeschichtliche Beiträge bringen, ist manchmal durchgehend, manchmal zeitweise unterbrochen. In China selbst operierende Webseiten sind einer ständigen Kontrolle und Zensur unterworfen, dennoch sind in Blogs und auf zeitgeschichtlichen Seiten (manchmal sogar auf Seiten der Behörden) immer wieder einzelne Berichte, Dokumente und Fotos aus der Zeit des "Pekinger Frühling" abrufbar. Die von chinesischen Intellektuellen viel genutzte Webseite "www21.ccom.net" ("Gongshiwang" 共识网), die regelmäßig kritische zeitgeschichtliche Beiträge gebracht hat, wurde allerdings im Oktober 2016 von den Pekinger Behörden geschlossen.

Auch andere Webartikel, die sich mit Themen des "Pekinger Frühling" befassten, sind rasch wieder verschwunden, vor allem ab 2014 ist die Zensur nonkonformistischer Inhalte zur Zeitgeschichte (das betrifft z.B. auch Beiträge zur "Kulturrevolution") spürbar verstärkt worden. Aufrufe der Webadressen bringen immer öfter Sätze wie "Diese Seite ist leider nicht verfügbar" oder "Ihre Suchanfrage hat kein Ergebnis gebracht". Viele Beiträge sind jedoch von chinesischsprachigen Webseiten außerhalb der VR China gespiegelt und übernommen worden, sodass die Inhalte zumindest auf ausländischen Seiten weiter abrufbar bleiben. 

Beiträge zu den literarischen und künstlerischen Aktivitäten des "Pekinger Frühling" sind auf chinesischen Webseiten im allgemeinen nicht blockiert.